Antonios's Newsletter 9908

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In eigener Sache
Neues aus der Enoteca Bacchus

Liebe Weinliebhaberin
Lieber Weinliebhaber

Nachstehende Leseproben handeln von Päpsten und Mönchen, von Königen und Untertanen, von Heerführern und Landsknechten, von Politikern und Redlichen, von Dichtern und Schreiberlingen und vielen Anmerkungen über Kultur, Brauchtum und Geschichte des italienischen Weines. Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit; Sie werden es bestimmt nicht bereuen.

Vor zwei Wochen haben wir die Firma Bolla besucht, ein Familienbetrieb mit grosser Tradition seit 1883 und hervorragenden Weinen: AMARONE DELLA VALPOLICELLA CLASSICO DOC, CRESO CABERNET SAUVIGNON, LE POIANE VALPOLICELLA CLASSICO DOC, TUFAIE SOAVE CLASSICO DOC, SOAVE SPUMANTE EXTRA DRY, COLFORTE MERLOT IGT, LUNAIE CHARDONNAY IGT DELLE VENEZIE, RECIOTO DI SOAVE, RECIOTO SPUMANTE, VALPOLICELLA CLASSICO u.a. Wir haben beschlossen, das ganze Bolla-Sortiment in unserem Angebot zu führen. Die vollständige Liste finden Sie unter : http://www.enotecabacchus.freeservers.com/bolla.html

Auf unserer 'Bern Info' Seite werden wir in Zukunft vermehrt Veranstaltungshinweise setzten. Falls Sie Ihren Anlass publizieren möchten, senden Sie uns einfach ein Mail oder bringen Sie die Unterlagen in die Enoteca. http://www.enotecabacchus.freeservers.com/berninfo.html

Wir würden uns freuen, wenn Sie den Newsletter an Ihre Freunde und Bekannten weiterempfehlen würden. Die Anmeldung kann online: http://www.onelist.com/subscribe.cgi/enotecabacchus erfogen

Herzliche Grüsse
Antonio und Christina De Fusco
 

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Ignazio Toscani
Vom Geist des Weines

"Panta rei", "alles fliesst", sagt Luciano de Crescenzo über das Wesen seiner italienischen Landsleute. Natürlich meint er damit auch den Wein. Eine fürwahr erfreuliche Erkenntnis, welche die Beschränkung der folgenden Überlegungen allein auf italienische Weine weniger bedenklich erscheinen lässt. Andererseits ist solch eine Begrenzung mehr als notwendig, denn in keinem anderen Land ist die Geschichte seit Urzeiten derart vom Wein durchtränkt. Nicht nur Landwirtschaft, Politik, Gastronomie und Diäthetik sind vom Wein geprägt, sondern auch die Kultur: vom Brauchtum bis zur Ethik, von der Literatur bis zur Musik. Denn die Italiener sehen im Wein nicht nur seinen materiellen Aspekt. In den unergründlichen, geheimnisvollen Verquickungen seiner Geschichte vermittelt er in ihren Augen zwischen dem Irdischen und dem Ewigen, zwischen der Physik und der Theologie. Vino gleich ambrosia gleich nettare: Seine unverderbliche Vitalität und seine überschwengliche Kraft wurden stets von den Italienern gesucht und genossen.

Beim Wein zeigen sich die Italiener als aufrichtige Verehrer des Aristoteles, indem sie seine qualitative Wesensform als die Grundstruktur seiner materiellen Wirklichkeit ansehen. Güte soll stets vor Menge gehen. Auf Produktionsmaximierung orientierte Winzer werden als Banausen, Panscher gar als Häretiker betrachtet. Daneben dämpft der Wein den notorischen Individualismus der Italiener. Stets erscheint der Wein in Kontexten, in denen Alleinsein durch Zusammensein ersetzt wird. Ein Italiener, der allein trinkt, leidet, und zwar in jeder Hinsicht. Bei kollektiven Ritualen fungiert der Wein als Instrument einer religiösen und profanen Liturgie. Unzählige Gedächtnisriten - religiöse Feierlichkeiten, geschäftliche Abschlüsse, Familienfeste - werden mit Wein vollzogen und begossen. Der Aperitiv, das gemeinsame Anstossen, das Trinken zur Mahlzeit und der Abschiedstrunk markieren die einzelnen Phasen der convivialità. So verwandelt ein Glas Wein das profane Moment der Gesellschaft, das sich in individuellem Nützlichkeitsdenken, im Streben nach materiellem Vorteil oder in der Hektik des Alltags äussert, in das sakrale Moment einer Gemeinschaft, die Werten wie Freizügigkeit, Spontaneität, Gedenken und Beschenken huldigt.

Obwohl der Wein als Träger materieller und ideeller Werte gepriesen wird, ist er zugleich seit jeher auch Gegenstand herber Kritik: Den Italienern gilt er gleichermassen als Verderber von Starken und Schwachen, er ist Stimulans wie Hemmnis von intellektueller Klarheit und Willenskraft. Der Wein wird als Gut und als Übel, als Bruder und Feind, als Lebensbegleiter und als Todesbote betrachtet. Demnach scheint die besondere Aura, die den Wein umgibt, in seinem Paradoxon zu liegen, in der Widersprüchlichkeit, die ihm innewohnt.

Eine Art kartesianischer Dualismus zwischen Geist und Materie scheint aufzuflackern, sobald man versucht, den Wein in der Komplexität seiner historischen Manifestation zu erfassen. Kann man den Wein als Kulturgut überhaupt phänomenologisch beschreiben? Offenbar ist der Wein kein lineares Sujet. Er will in der ganzen Komplexität seiner räumlichen Verbreitung, seiner funktionalen Vielfalt und seiner Verwurzelung in der Geschichte des Landes erfasst werden. Diesem Ziel sind die folgenden Seiten gewidmet.

Die Heraldik des Weins

Die dominanten Bedeutungsmerkmale der italienischen Weinkultur sind widersprüchlich. Den Italienern offenbart sich der Wein immer in dialektischem Zusammenhang. Seine im Verlauf der Geschichte bald spaltende, bald verbindende Kraft wurde von Päpsten und Mönchen, von Königen und Untertanen, von Heerführern und Landsknechten, von Politikern und Redlichen, von Dichtern und Schreiberlingen gleichermassen geschätzt. Zahlreiche künstlerische Erzeugnisse haben in der Tat ihren Ursprung im Wein. Seiner Wirkung bewusst, funkelt er zunächst rötlich oder weisslich im Glas, um dann allmählich in seine künstlerische Ausformung zu fliessen. So hat es den Anschein, als ob der Wein fähig sei, eine Art multimedialer Transsubstantation zu vollziehen.

Der Begriff der Wandlung verweist sogleich auf den Bereich des Religiösen. Hier ist der Wein seit Jahrtausenden unerlässlicher Bestandteil des Messopfers. Zugleich ist er aber auch im profanen klerikalen Bereich stark präsent, da im Laufe der Jahrhunderte sowohl hohe Prälaten als auch einfache Mönche zu Kennern, Mäzenen und Stiftern des Weines wurden. Besonders am Herzen lag den Geistlichen die immerwährende Sorge um ausreichenden Nachschub. Am 17. Juni 1614, im Monat des endgültigen Um- bzw. Abfüllens des Weines, verkündete Papst Paul V. im Rituale Romanum fünf therapeutisch differenzierte benedictiones vini.Ebenso fortschrittlich war sein Vorgänger Paul III., der sich durch seine soziale Ader auszeichnete. Dank der Schaffung einer regelrechten ABM-Stelle wurde sein treuer Diener Lancerio zum Sommelier mit besonderen Aufgaben ernannt: Ihm oblag die beneidenswerte Pflicht, für jede Stunde des Tages einen passenden Wein zu empfehlen. Auch Sixtus X. war bei seinem Arzt Andrea Bacci in guten Händen, welcher speziell den ligurischen Winzern geradezu magische Kräfte zusprach: Diese könnten sogar Steine zum Blühen bringen. Exzellente Weine wie der Campochiesa oder der Cinqueterre bewahren auch heute noch den Ruf der bereits bei Boccaccio erwähnten kostbaren kirchlichen Pfründe in Ligurien.

Die niederen Kleriker gelten in der italienischen Weinkultur seit jeher als fachkundige und gewissenhafte Kellermeister. Im Trentino wird den Mönchen vor allem als Hütern jener Südtiroler Weingärten, in denen noch liebevoll der echte Kalterer See angebaut wird, tiefste Verehrung zuteil. Eine devote Haltung lässt sich im Trentino auch in profanen Weinpinten beobachten, wo der samtig rote Teroldego tunlichst leise geschlürft wird. Lévy-Bruhl würde darin sofort die rollenbezogene Imitation der Konzilsväter wiedererkennen, die von 1545 bis 1563 in der tridentinischen Hauptstadt tagten und dabei vornehmlich Teroldego in beachtlichen Mengen verkosteten. Wie von manch anderem blieben die Protestanten auch von diesem Genuss ausgeschlossen. Die Folgen sind hinlänglich bekannt.

Die Beziehung des Menschen zu Gott ist stets auch mit dem Gebot der Reinlichkeit verbunden. Davon zeugen die kunstvollen aquasantiere [Weihwasserbecken] der italienischen Kirchen, die Gelegenheit zu einer symbolischen Reinigung bieten. Ob Papst Gregor XIV. als überzeugter Gegenreformator zur täglichen Reinigung ein wirksameres Mittel als Wasser brauchte, ist nicht bezeugt; fest steht aber, dass er testamentarisch verfügte, seinen Leichnam vor der Bestattung mit Orvieto-Wein zu waschen.

Angesichts dieses religiösen Glaubens an die Kräfte des Weines erstaunt es nicht, dass in Italien selbst die geographische Orientierung im Zeichen des Weines erfolgt. In Venetien erklären Einheimische den Weg zu einem gesuchten Ort anhand markant gelegener Wirtshäuser und nicht etwa durch Hinweise auf Wegmarkierungen oder gar offizielle Beschilderungen. Ebenfalls prägend für die Toponomastik waren im alten Venedig die malvasie, heute bácari genannten Schankstätten, deren Erhaltung eigentlich Aufgabe der Unesco wäre und in denen zumeist weisser Prosecco oder aber roter Cabernet gesüffelt wird. Als weiteres Zeichen der "praktischen Toleranz" der venezianischen Republik hatten im 18. Jahrhundert viele malvasie keine Türen, weshalb sie, zur Freude aller, nie schliessen konnten.

Zur Geschichte des folgenden Jahrhunderts gehört der kluge Einfall eines gewissen John Woodhouse. Mit seiner in der sizilianischen Hafenstadt Marsala kreierten Mischung aus fünf Jahre gelagertem Weisswein, dem passito, dem Saft von getrockneten Trauben und etwas Brandy gelang ihm bald die Eroberung des britischen und skandinavischen Marktes. Legendär wurde eine Lieferung von fünfhundert Fässern Marsala-Weins an die Flotte von Admiral Nelson. Wenige aber wissen, dass am 11. Mai 1860 britische Kriegsschiffe vor Marsala kreuzten: zum Schutz der dort lagernden Bestände der Woodhouse Company, aber auch, um die (bösen) Bourbonen daran zu hindern, auf die (lieben) Garibaldiner zu schiessen, bevor diese ungestört gelandet waren. Bei der anschliessenden Verbrüderung zwischen Angreifern und Verteidigern - denn nie hat es in der italienischen Geschichte echte Sieger und echte Verlierer gegeben - dürften der helle Mamertino oder der kräftig rote Faro reichlich geflossen sein.

Zur Geschichte des Weines gehört freilich auch die Schaffung einer ganz eigenen Ikonographie. In diesem Zusammenhang können die Piemonteser ihre geheime Vorliebe für die Monarchie nicht verleugnen. Anders als die streitsüchtigen Toskaner, die sich mit einem schwarzen Hahn identifizieren, zieren die Piemonteser ihren aristokratischen Barolo mit einem goldenen Löwen, der sich auf blauem Feld bäumt, ein historischer Turm ragt auf dem Etikett des eher volksnahen Barbaresco.

Von der Heilkraft des Weines

Bei der allmählichen Entwicklung Italiens vom Königreich zur Republik wussten die künftigen Herrscher des Landes, die Herzöge von Savoyen, den edlen Carema zu schätzen. Bekanntermassen nährte das erlauchte Haus gelegentlich auch Trotzköpfe unter seinem Dach. Emmanuele Filiberto, der Streitsüchtige von Saint Quentin, der auf die Franzosen gar nicht gut zu sprechen war - schliesslich hatten sie sich seine Weingüter unter den Nagel gerissen - blieb zum Beispiel dem im Vergleich zum Carema weitaus robusteren Gattinara bis zu seinem späten Ableben treu. Der Unglücksrabe Carlo Alberto, dem die Mächte der europäischen Restauration die voreilige Verkündung einer bürgerlichen Verfassung nie verzeihen konnten, demonstrierte seine liberale Haltung, indem er den Geschmack des noch 'gängigeren' Freisa schätzte. Mag Carlo Alberto in der Politik auch Pech gehabt haben, in Sachen Wein hatte er einen guten Riecher: Seine einstigen Weinberge sind heute Eigentum und Stolz der Firma Cinzano.

Zahlreiche aristokratische Besitzer und Weine finden sich auch in der Toskana, seit zu Beginn des 18. Jahrhunderts das Grossherzogtum in bald zu Ruhm gelangende Weinanbaugebiete namens Chianti, Carmignano und Val d'Arno aufgeteilt wurde. Bei dieser Teilung erwiesen sich die Habsburg-Lothringer zweifelsohne als weitsichtige, aufgeklärte Herrscher. Als Verbindungsglied zum modernen Italien wirkte in der Toskana später der Baron Bettino Ricasoli, Minister des Königs, welcher in seinen toskanischen Weinbergen regelrechte formule di governo einführte, die jedoch kaum Ähnlichkeit mit seinen Massnahmen als Regierungsmitglied hatten. Denn im Weinanbau erwiesen sich seine Anregungen als weitaus vernünftiger und einträglicher als in der Politik.

Mit der Wahl ihrer Weinnamen erwecken die Lombarden den Eindruck, dass sie alle sehr gelehrt und Anhänger des überaus trübsinnigen Dichters Dante waren. Im Einklang mit dem strafenden toskanischen Dichter wecken die Namen der lombardischen Weine manch schauderhafte Assoziation wie etwa 'lästig-verdriesslich' bei Clastidio, 'klumpig-knottelig' beim Grumello, 'heiss-brennend' beim Inferno und beim Buttafuoco, 'steinig-holperig' beim Sassella oder gar 'fröstelnd-peinigend' beim Valgella. Im übrigen schmecken sie aber, ihren Namen zum Trotz, allesamt ausgezeichnet.

In Kampanien kommt die Vorstellung des Weines als Panazee, als Allheilmittel, besonders zur Geltung, was aus Sprüchen wie "Vino fa buon sangue" [Wein macht gutes Blut] hervorgeht. Die für ihre experimentell-induktiven Forschungsmethoden berühmte medizinische Schule von Salerno (11. - 13. Jahrhundert) empfahl, gegen die Restbeschwerden übertriebenen Weingenusses ein weiteres Quantum Wein einzunehmen. In Norditalien war während der K.-u.-K.-Zeit im Gebiet des Carso der Terrano-Wein als Aufbaumittel in den Apotheken erhältlich. Im nicht weit entfernt gelegenen Venetien empfiehlt die praktische Medizin noch heute den roten Merlot gegen Anämie und Müdigkeit (8 Gläser zu 1/10 Liter täglich). Der weisse Traminer wirkt vorzüglich gegen Grippe und Erkältung (gleiche Dosierung). Ein Glas Ribolla gialla nach den Mahlzeiten hilft gegen Dyspepsie und sonstige Verdauungsstörungen. Die gleiche Menge Pinot grigio soll hingegen Bronchitis lindern. Ein Glas prickelnden Verdisos empfiehlt sich während der Rekonvaleszenz von Infarktgeschädigten. Blutspendern wird schliesslich zur Neubildung des Blutes roter Raboso empfohlen.

In der italienischen Weinkultur gehört das Nebeneinander heilender und gesundheitsschädigender Wirkungen des edlen Rebensaftes zu den festen Topoi. Im negativen Bereich darf darum die düstere Gestalt von Cesare Lombroso nicht fehlen. Seine im Jahre 1880 vorgelegten Diagramme und Klassifikationen aller pathologischen, auf übertriebenen Weingenuss zurückzuführenden Leiden wirken noch deprimierender als Giovanni Vergas Roman I Malavoglia. Die peinlich genauen Angaben des Gelehrten über die vom Alkoholismus verursachten Halluzinationen sind in der europäischen Kultur nur noch den Dämonen von Hieronymus Bosch oder Füssli vergleichbar ...

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Christa Klauke
Vom Aschenputtel zum Kultobjekt
Die Erfolgsgeschichte des italienischen Weines

Welches Ansehen italienischer Wein in Deutschland geniesst, zeigt ein einfaches Gedankenspiel. Wer - sagen wir - vor 15 Jahren zum Essen mit italienischen Weinen einlud, signalisierte folgendes: es sollte unkompliziert zugehen, die Atmosphäre leger sein, der Wein nicht im Mittelpunkt stehen; man war nicht bereit, viel Geld auszugeben. Ganz anders heute: Der Betreffende liegt mit seiner Auswahl im Trend, signalisiert Kommunikationsfreude, Grosszügigkeit und Qualitätsbewusstsein. Bei aller Lockerheit zeigt er sich, unabhängig vom tatsächlichen Preis des Weines, als anspruchsvoll bei seiner Wahl.

Es überrascht deshalb nicht, dass Weine aus Italien seit Ende der 80er Jahre auf dem deutschen Markt ungemein erfolgreich sind. Ob im Fachhandel, im Lebensmittelhandel oder beim Discounter, sie sind nicht nur präsent, sie sind die Umsatzrenner. Das waren sie auf der Billigschiene schon vor 20, 25 Jahren, neu aber ist, dass sie in Deutschland beim anspruchsvollen Verbraucher und dessen Einkaufsquellen so gut vertreten sind. Ausnahme ist die deutsche Spitzengastronomie. Hier haben sich die Grappe durchgesetzt, nicht jedoch die hochwertigen Weine.

Italien steht an erster Stelle bei den Weinimporten, umgekehrt ist Deutschland der wichtigste Exportmarkt für italienische Weine. Das war zwar schon Ende der 70er Jahre so, nur verkauften sie sich damals in erster Linie über den Preis. Seit Ende der 70er Jahre sind die Importe fast ständig gestiegen - und die Preise, und dies weit oberhalb der Inflationsrate. Ein Zeichen dafür, dass immer mehr hochwertige Weine nachgefragt werden. Preise über 20 DM für einen Chianti Riserva sind normal, ebenso 30 bis 60 DM für einen Barolo oder einen Brunello. Und das nicht bei einigen wenigen spezialisierten Händlern, sondern bis hin zu den Weinabteilungen der Kaufhäuser.

Nicht nur die Qualität ist vorbildlich, sondern auch die Präsentation. Die Italiener waren wohl die ersten, die der Ausstattung ein besonderes Augenmerk widmeten. Das gilt zunächst einmal für die Etiketten, die früher handgestrickten und teils ausgesprochen hässlich waren und dann abgelöst wurden von sehr geschmackvollen, oft von Designern entworfenen Exemplaren. Aber auch die Korken sind bei den führenden Erzeugern im internationalen Vergleich wohl im Schnitt die besten, und gleiches gilt für die Flaschen.

Der Erfolg wäre übrigens deutlich später gekommen, hätte es nicht eine bestimmte Gruppe von Weinhändlern gegeben, die zu Beginn der 80er Jahre verstärkt mit dem Import begannen. Es waren Personen mit überwiegend akademischem Abschluss, die sich statt des studierten Berufes dem Weinhandel widmeten. Sie wollten die neuen italienischen Weine führen, waren offen für Entdeckungen. Als Aussenseiter auf dem deutschen Markt hatten sie keine Vorurteile gegenüber den unbekannten italienischen Qualitätsweinen. Erst nach und nach entdeckte der klassische Importhandel diese neue Weinwirklichkeit. Doch alle diese Anstrenungen konnten nur deshalb erfolgreich sein, weil sich der italienische Weinbau in den vergangenen zwei Jahrzehnten grundlegend geändert hatte.

Der Wandel

Kein Weinland, dem auch nur einige Bedeutung zukommt, hat innerhalb so kurzer Zeit einen so tiefgreifenden Wandel vollzogen wie Italien. Die oft jahrhundertealte Tradition französischer oder auch deutscher Weine sucht man in Italien vergebens. Sicher, einige Namen wie etwa der des Chianti sind alt - nicht jedoch die von Erzeugern. Es gab auch schon im 19. Jahrhundert Anregungen zu Verbesserungen, aber es waren Einzelfälle. Und spätere Anstrengungen wurden durch die sich ausbreitende Massenproduktion in den 50er Jahren zunichte gemacht. Faktisch war noch vor 30 Jahren Qualitätswein unbekannt, oder besser: es gab ihn kaum. Wein war mehr Nahrungsmittel denn Getränk und schon gar nicht eins, dem man besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er wurde entweder selbst erzeugt oder in grossen Glasballons, den "damigiane", bei Winzern der Gegend gekauft. Auf Flasche vermarktet wurde er meist nur von Handelshäusern, es dominierte der offen verkaufte Wein. Entsprechend wenig Aufmerksamkeit schenkten die meisten Winzer der Qualität. Auch der Export, der heute so wichtig ist, spielte kaum eine Rolle, und wenn, dann ging es meist um Massenprodukte.

Ganz anders heute. Sicherlich, Massenweine bestenfalls genügender Qualität gibt es weiterhin, doch ihr technischer Standard hat sich deutlich gebessert. Die plumpen, fehlerhaften, oxydierten Weine der Vergangenheit gibt es kaum noch. Auf beiden Seiten, bei den Erzeugern wie bei den Käufern, hat sich ein Qualitätsbewusstsein entwickelt. Immer mehr Käufer fragen bewusst nicht nur nach einem bestimmten Typus, also etwa nach Barolo, Chianti oder Soave, sondern nach dem Wein eines bestimmten Erzeugers, aus einer ganz bestimmten Lage und eines bestimmten Jahrgangs.

Eine nicht unbedeutende Rolle bei dieser allgemeinen Geschmacksverfeinerung spielt übrigens die Gastronomie: Denn jedes Restaurant, das etwas auf sich hält, führt heute eine gut sortierte Weinkarte. Hier bekam man die Anregungen, die die wenig kritische Weinpresse und der sich erst in den letzten Jahren etablierende Fachhandel nicht hatten vermitteln können.

Toskana: das Labor, in dem alles begann

Die erste Region, in der sich das italienische Weinwunder auf breiter Ebene bemerkbar machte, war die Toskana, genauer gesagt, das Gebiet des Chianti Classico. Hier gab es einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Alle Elemente des neuen Weinbaus wurden konsequent angewandt. Nicht mehr die schiere Menge war interessant, sondern ein individueller Wein, der die Eigenschaften der Reben und des Bodens zum Ausdruck bringt, war das Ziel. Niedrige Hektarerträge und Sauberkeit im Keller waren die wesentlichen Mittel. Konsequenz auch im Verkauf: An der Ausstattung wurde nicht gespart, schliesslich sollte sie das Neue symbolisieren.

Dass die Entwicklung in der Toskana begann, ist nicht weiter verwunderlich, denn es waren vor allem Personen von ausserhalb des Anbaugebiets, teils auch aus dem Ausland, die sich hier, angezogen vom kulturellen Flair, ein kleineres Gut kauften. Die meisten waren zuvor in anderen Bereichen wirtschaftlich erfolgreich und verfügten dementsprechend nicht nur über die finanziellen Mittel, sondern waren zielstrebig und phantasievoll zugleich. Damit floss das notwendige Kapital in die Region. Qualität, die sich vermarkten liess, war angestrebt, nicht der Verkauf billiger Massenware. Veränderungen brauchen Zeit und setzen Investitionen voraus. Aber Geld und Ideen, so wichtig sie auch sein mochten, reichten allein nicht, hinzukommen musste das nötige Fachwissen, das die neuen Inhaber nicht hatten. Entsprechend wurden Fachleute engagiert: Beratende Önologen wie Bernabei, Castelli oder Fiore prägen heute das Bild des toskanischen Weinbaus.

Obwohl man den Chianti grundlegend verändern und verbessern wollte - Vorreiter des neuen Stils waren zunächst die Vini da tavola. Denn hier konnten neue Ideen in die Tat umgesetzt werden, ohne dass gesetzliche Produktionsstatuten ein Hemmnis bildeten, ob es nun um die Rebzusammensetzung ging oder den Ausbau im Barrique. Es wäre aber verkürzt, diese Entwicklung - wie es häufig geschieht - damit zu erklären, dass das damalige Statut einen hohen Weissweinanteil vorsah. So streng wurde es nämlich nicht ausgelegt, Verstösse wurden selten verfolgt. Der erste Tignanello etwa unterschied sich hierin nicht von dem Chianti Classico Riserva von Castello di Uzzano. Mit solchen hochwertigen Tafelweinen, die natürlich unter Phantasienamen verkauft wurden, profilierten sich die Winzer. Die Angebotspalette wurde erweitert, und dem ersten roten Tafelwein folgte bald ein weisser, vorzugsweise ebenfalls im Barrique ausgebaut.

Die gleiche Aufmerksamkeit wird heute dem hochwertigen Chianti geschenkt. Die Erträge sind bei den führenden Gütern niedrig, die Vinifikation sorgfältig. Der Stil hat sich geändert, ist internationaler geworden. Die Weine sind runder, kräftiger, und nicht wenige Riserve werden für einige Zeit im Barrique ausgebaut. Der einstige Mischsatz aus den einheimischen roten Reben Sangiovese und Canaiolo mit Zugabe der weissen Malvasia und Trebbiano ist in der Spitzengruppe entweder einem reinsortigen Sangiovese gewichen oder man mischt Sangiovese mit internationalen Rebsorten wie Cabernet und Merlot. So manches Gut bietet inzwischen mehrere Chianti an, neben der Annata und der "normalen" Riserva noch eine Riserva aus einer Einzellage.

Der Ruf des Chianti ist inzwischen so hoch, dass die hochwertigen Tafelweine ihre Funktion als Flaggschiff verloren haben. Ausserdem sind sie so zahlreich geworden, dass kaum noch jemand sie korrekt zuordnen kann. Mehrere Winzer wollen deshalb ihren Tafelwein künftig als Chianti Riserva, also als DOCG-Wein, vermarkten - was mit dem flexiblen neuen Statut für einen Gutteil der roten Vini da tavola im Chianti von der Rebzusammensetzung und dem Ausbau her möglich sein wird ...

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